Ähnlich wie Bisphenol A steht auch Bisphenol S im Verdacht, menschliche Hormone zu beeinflussen. Wir erklären dir, warum der Ersatzstoff den Umgang mit Thermopapier nicht weniger gefährlich macht.
Um Steuerbetrug vorzubeugen, besteht in Deutschland seit dem 1. Januar 2020 bei jedem Einkauf Bonpflicht. Wie wir bereits im Januar auf Utopia.de berichteten, sind derzeit noch Kassenbons aus Thermopapier im Umlauf, das mit der gefährlichen Chemikalie Bisphenol A (BPA) behandelt ist. Erst ab Anfang dieses Jahres dürfen keine Thermopapiere mit BPA mehr produziert werden.
Das Problem bleibt jedoch bestehen, da diese Regelung durch ähnliche Substanzen umgangen wird. Diese sind nicht unbedingt weniger schädlich, wie auch Bisphenol S (BPS). Die Schweiz führte im Juni 2019 auch für Bisphenol S in Kassenbons einen Grenzwert von 0,02 Prozent ein, in Deutschland gibt es eine solche Regelung (noch) nicht.
Laut der Europäischen Chemikalienbehörde (ECHA) wurden zwischen den Jahren 2014 und 2016 in Europa Thermopapiere mit folgenden Prozentzahlen bezüglich Entwicklerwirktstoffen (Chemikalien, die notwendig sind, damit die Schrift auf den Thermo-Quittungen erscheint) hergestellt:
- 55-75 Prozent mit Bisphenol A
- 3-7 Prozent mit Bisphenol S
- 21-38 Prozent mit anderen unspezifizierten Entwicklerwirkstoffen.
Hersteller außerhalb der European Thermal Paper Association (ETPA) verwendeten hingegen bis zu 85 Prozent unspezifizierte Chemikalien. Neben Bisphenol S gibt es also wohl noch andere bedenkliche Ersatzstoffe für Bisphenol A.
Wofür Bisphenol S alles eingesetzt wird
Bisphenol S ist eine chemische Verbindung, die zu den Gruppen der Bisphenole gehört und mit BPS abgekürzt wird. Der Stoff unterscheidet sich insofern von Bisphenol A, als dass es sich bei seinem Ausgangsstoff nicht um Aceton handelt, sondern um Schwefeltrioxid.
Neben Thermopapier wird Bisphenol S auch für viele weitere Produkte verwendet, unter anderem als Korrosionsschutz. Doch vor allem findest du BPS bei der Produktion von thermoplastischen Kunststoffen, sogenannten Polycarbonaten. Diese sind weniger zerbrechlich und kratzempfindlich als andere Kunststoffe. Deshalb werden sie zur Herstellung vieler Produkte eingesetzt, wie zum Beispiel:
- CDs, DVDs und Blu-rays
- Fahrzeugbau (Seiten- und Heckscheiben)
- Brillengläser und optische Linsen (aufgrund ihrer Schlagfestigkeit insbesondere bei Sportschutzbrillen)
- im Bausektor (Abdeckungen für Wintergärten und Gewächshäuser; Verglasungen und Fenster)
- Koffer
- Gehäuse von Kameras, Smartphones und Tablets
- Campinggeschirr
- Medizinische Einwegprodukte
Untersuchungen bestätigen, dass BPS weltweit im Wasser, Abwasser und sogar im Hausstaub zu finden ist. Selbst im menschlichen Urin wurde es global nachgewiesen – auch wenn in niedrigerer Konzentration als BPA.
Bisphenol S und seine schädlichen Wirkungen
Bisphenol S ist vermutlich nicht weniger schädlich als Bisphenol A. Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesamt für Gesundheit BAG der Schweiz (PDF) vermuten den hormonaktiven Einfluss von Bisphenol S.
Besonders im endokrinen Bereich, also dem hormonellen, wirkt BPS laut verschiedenen Quellen tatsächlich ähnlich schädlich wie BPA:
Das Ärzteblatt berichtete 2016, dass laut verschiedener Studien der Universität Essen-Duisburg Bisphenol S eine schädliche Wirkung auf die Spermiengeschwindigkeit haben könne:
- In Tests an Mäusen stellten Wissenschaftler fest, dass BPS eine „veränderte Schlagfrequenz sowie Signaltransduktion“ der Spermien verursachte.
- In vitro testeten sie ebenfalls menschliches Ejakulat: In verschiedenen Dosierungen wurden BPA, BPF (Bisphenol F) und BPS zusammen mit dem Sperma über verschiedene Zeiträume inkubiert. Je mehr Zeit verging, desto mehr waren die Spermien in ihrer Bewegung beeinträchtigt, verglichen mit der Kontrollgruppe.
Grenzwerte für die toxische Wirkung von BPS und BPF gibt es jedoch noch nicht.
Auch das National Food Institute der Technischen Universität Dänemark testete 2014 fünf verschiedene BPA-Ersatzstoffe und fand folgende Wirkungen auf das endokrine System:
- Sie wirkten auffallend östrogenähnlich.
- Sie blockierten die Rezeptoren für Androgene (männliche Geschlechtshormone).
- Sie störten die Synthese von Geschlechtshormonen.
Des Weiteren fanden Forscher der University of California in Los Angeles 2016 in einer Studie an Fadenwürmern heraus, dass sowohl BPA als auch BPS schwere Fortpflanzungsstörungen hervorrufen, wie eine erhöhte Sterberate von Embryos.
Eine Studie des Nature Research Journals „Scientific Reports“ aus dem Jahre 2019 an Mäuseherzen zeigt, dass Bisphenol S die Herzmuskelfunktion stören kann. Vor allem tat es dies bei weiblichen Mäusen, da BPS an den Östrogenrezeptoren ansetzte.
Die Europäische Chemikalienagentur in Helsinki veröffentlichte 2016 eine Arbeit mit gesammelten Studien, die sowohl in vitro als auch an Ratten durchgeführt wurden. Diese bestätigt, dass Bisphenol S den menschlichen Hormonhaushalt potentiell sehr weitläufig beeinflussen kann:
- Mit Bisphenol S behandelte Tiere wurden entweder gar nicht schwanger oder bekamen weniger Junge als üblich.
- Der Transport und die Hormonwechselwirkung von Östrogen wurde gestört.
- Die Nebennieren (Adrenaldrüsen) waren vergrößert.
- Die Milchdrüsen bei den Weibchen waren verkümmert.
Wie du aktiv gegen Bisphenol S vorgehen kannst
Bisphenol S ist, wie auch Bisphenol A, in vielen Produkten enthalten.
Utopia empfiehlt:
- kaufe so wenige Nahrungsmittel in Plastikverpackungen wie möglich
- wasche dir nach der Handhabung mit den thermobehandelten Kassenbons immer die Hände
- achte auf BPA- und BPS-freie Produkte (wie z.B. bei Trinkflaschen).
Was du außerdem tun kannst:
- Leute aktiv über Bisphenol S und seine schädlichen Wirkungen informieren.
- Eine Petition für den Bundestag gegen den spezifischen Einsatz von Bisphenol S und den weiteren BPA-Ersatzstoffen entwerfen, verbreiten und einreichen (zum Beispiel mit Hilfe von openpetition.de).
- Direkt an Politiker schreiben und sie über diese Problematik aufklären.